Islamic Banking – Interview mit Daniel K. Bergmann

Hallo Herr Bergmann, ich freue mich, dass Sie sich die Zeit nehmen für
ein Interview im Finanzweblog und würde Sie bitten, sich den Bloglesern
ersteinmal kurz vorzustellen.

Hallo Herr Wenzel, sehr gerne nehme ich mir diese Zeit für Finanzweblog, und gerne stelle ich mich kurz vor. Denjenigen, die vor einigen Wochen bereits Ihre erste Berichterstattung verfolgt haben, bin ich eventuell noch ein Begriff. Mein Name ist Daniel Bergmann, und ich bin u.a. der Autor des Buches Islamic Banking, das im letzten Jahr über den BoD Verlag erschienen ist. An dieser Stelle möchte ich Ihnen auch noch einmal persönlich für Ihre Rezension danken, und dass Sie sich bereits so früh mit diesem sehr interessanten Thema auseinander gesetzt haben.

Wie sind Sie auf das noch sehr neue Thema des Islamic Bankings gekommen?

Ich bin der Überzeugung, dass wir uns ständig weiterentwickeln sollten und tue dies seit Jahren sehr konsequent. Da ich mich in den letzten Jahren unter anderem sehr intensiv mit den Emerging Markets beschäftigt habe und einer meiner Interessensschwerpunkte das Asset Management ist, habe ich in den Jahren 2006/2007 nach neuen Entwicklungen in diesen Bereichen geschaut. Im Asset Management an sich gab es seinerzeit eine ganze Reihe von unterschiedlichen Entwicklungen und Bewegungen, denen man sich hätte annehmen können.

Bei diesen Sondierungen bin ich dann auf das Thema Islamic Banking aufmerksam geworden und habe festgestellt, dass es sich dabei um ein in Deutschland nahezu unbearbeitetes Thema handelte. Vom ersten Moment an erschien es spannend und interessant, so dass ich mich weiter in das Thema vertiefte und anfing zu recherchieren. Dass mein Gespür ganz richtig war zeigten die weiteren Entwicklungen. Weltweit hat das schariakonforme Bankwesen der letzten Jahre sehr hohe zweistellige Wachstumszahlen erreicht, und das Volumen hat sich um viele Milliarden erhöht. Man spricht aktuell von einer „1 Trillion US$ Industry“.

Warum war es für Sie sehr wichtig die Informationen aus erster Hand zu
bekommen, denn Sie waren für „Islamic Banking“ ja ziemlich viel unterwegs?

Im Kern habe ich zunächst angefangen nach geeignetem Material zu recherchieren und habe versucht wichtige und relevante Literatur zu besorgen, um das Islamic Banking zu verstehen. Das, was jedem passieren dürfte, der sich erstmals damit beschäftigt, ist die Verunsicherung über bestimmte Aussagen und Standards. So ist dies anfänglich auch bei mir gewesen, und ich habe mich entschlossen so viele weitere Informationen wie möglich zu sammeln und entsprechendes Wissen zu erlangen, insbesondere um möglichst fundiert berichten zu können und auch wirklich zu wissen wovon ich rede.

In der Tat bin ich sehr viel unterwegs gewesen und habe wirklich viele Gespräche mit Kollegen geführt, die im Islamic Banking tätig sind. Auch heute halte ich noch permanent Kontakt ins Ausland. Diese Kontakte sind mir heute ebenso wichtig wie damals. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich im Ausland Literatur aus aller Welt zusammen getragen habe. In meiner Bibliothek befinden sich neben den in Deutschland zugänglichen Büchern aus England und den USA, auch viele Bücher aus Pakistan, Indien, Saudi-Arabien, Singapur, Malaysia. Aber so interessant und verschieden die Sichtweisen in der Literatur auch teilweise sind, haben mir die Erfahrungen aus erster Hand erlaubt den letzten Baustein zu setzen. Vor allem hat es gezeigt, dass meine Gedanken richtig waren und hat mich in meinen Aussagen gestützt. Wie jeder Leser weiß, habe ich mich sehr intensiv mit den aktivsten Entwicklern im Islamic Banking ausgetauscht und schätze deren Sichtweisen sehr.

Islamic Banking ist in Deutschland bis jetzt nur eine Randerscheinung,
auch wenn es inzwischen mehr Aufmerksamkeit durch Medien und Banken
erhält. Wird es auf absehbare Zeit über diese Rolle hinaus kommen?

Das ist eine interessante Frage, die ich immer wieder höre. Gerade in den letzten Tagen haben mich wieder einige Anfragen von Journalisten erreicht, die erstaunt waren, dass es bisweilen kaum institutionelles Engagement in Deutschland gibt.

Diejenigen die sich bisweilen damit noch nicht beschäftigt haben, wissen vielleicht noch nicht, dass es im Ausland aber durchaus deutsches Engagement gibt. Momentan allerdings wird vorrangig der Schritt in die Märkte im Ausland forciert, was sicherlich nachvollziehbar ist, da dort tatsächlich seit Jahren ein Boom hin zum Islamic Banking herrscht, und dort nicht zwingend erst ein Bedarf geweckt werden muss.

Im Austausch mit anderen Kollegen, die immer wieder mit Banken in Deutschland in Kontakt treten, hört man auch wiederholt, dass derzeit keine konkreten Maßnahmen geplant oder vor der Umsetzung sind.

Aus eigenen Kontakten zu Banken weiß ich, dass vereinzelt zumindest geprüft oder darüber nachgedacht wird, ob ein Engagement Sinn machen würde.

Ich glaube allerdings, dass die derzeitige Stimmung an den Finanzmärkten und die globale wirtschaftliche Situation mitunter solche Überlegungen in Deutschland nach hinten verschieben.

Das, was derzeit möglich ist, dassind Investments in schariahkonforme Investmentfonds oder in Index-Zertifikate, die in Deutschland gehandelt werden können. Aber auch das ist erst ein erster Beginn, die meisten Produkte sind nicht aus deutschem Hause.

Für das Retailgeschäft wird es sicher noch eine Wegstrecke zurückzulegen sein, bis es tatsächlich zu Bewegungen kommt. Zumindest scheint es derzeit so.

Eigentlich ist das schade, denn wenn man sich manche Finanzierungsbereiche anschaut und auf die Möglichkeiten prüft, dann fallen sofort Produktbereiche auf, in denen recht schnell und problemlos eine schariahkonforme Variante als Fensterlösung eingeführt werden könnte.

Größtes und schnellstes Potenzial haben sicher weitere Fonds- und Kapitalmarkt-produkte wie die Sukuk. Derzeit ist es zwar zu rückläufigen Emissionszahlen bei den Sukuk gekommen, dies ist aber auf Unstimmigkeiten zurückzuführen, die eben in einem so „jungen“ Finanzzweig nicht auszuschließen sind. Ganz sicher werden Sukuk auch in Zukunft sehr interessante Entwicklungen und Produkte zeigen.

Auch hier besteht ganz sicher ein interessantes Zukunftspotenzial für Deutschland.

Derzeit ist teilweise ganz zweifelsfrei noch die Gesetzeslage ein Bremsklotz für manche Produkte, aber da es andere Länder vormachen, sollte es für die Zukunft betrachtet durchaus auch für Deutschland möglich sein die Weichen entsprechen zu stellen.

Sehen Sie im Zuge der Finanzkrise einen Vorteil des Islamic Banking oder
anders gefragt, sind in diesem System auch derartige Verwerfungen möglich?

Den ersten Teil der Frage kann man eindeutig mit einem JA beantworten. Die ganze Welt schaut derzeit auf die wirtschaftliche Gesamtsituation und die Finanzmärkte im Besonderen. Gerade auch unsere Bundeskanzlerin Frau Merkel ist es, die schon sehr zeitnah nach Beginn der Krise davon sprach die Bankgeschäfte neu regulieren zu wollen.

In den letzten Tagen veröffentlichte die Vatikanzeitung Osservatore einen Artikel, in dem berichtet wurde, dass die ethischen Regeln des islamischen Bankwesen im Stande seien, einem gescheiterten kapitalistischen Finanzsystem Vertrauen und Liquidität zu verschaffen und zur Etablierung neuer Regeln für das westliche Finanzwesen beitragen kann.

Ich kann nur sagen, dass sich dieser Bericht aus dem Vatikan absolut mit meiner Meinung deckt, und ich es für die westlichen Wirtschaftssysteme auch für sehr gesund erachten würde.

Spätestens jetztwerden sich einige mehr mit dem schariahkonformen Bankwesen beschäftigen und ich kann mir gut vorstellen, dass die eine oder andere Regelung dazu beigetragen hätte, dass wir es beispielsweise nicht mit so starken Volatilitäten an den Wertpapiermärkten zu tun bekommen hätten.

Der zweite Teil der Frage lässt sich nicht verbindlich beantworten. Natürlich kann heute niemand alle Eventualitäten vorhersehen, die jemals in Zukunft und in diesem speziellen Bankgeschäft auftreten werden, ich leider auch nicht.

Fakt ist allerdings, dass die Banken im Islamic Banking zusammen mit einem Bankkunden immer mit-investiert sein müssen, d.h. z.B. bei einer Musharakah Finanzierung, dass sowohl die Bank als auch der Kunde zusammen (je nach Anteil) Eigentümer sind, bis das Objekt vom Kunden bei der Bank vollständig abgekauft wurde. Es versteht sich von selbst, dass Banken die Eigentümer eines Objektes und nicht nur Kreditgeber sind, sowohl das Objekt selbst genauer auf Preis und Qualität prüfen werden, als auch den Kreditnehmer/Musharakah-Partner, mit dem man über Jahre hinweg eine Partnerschaft und nicht „nur“ ein Kreditverhältnis eingeht.

Ferner, und auch das ist in der aktuellen Krise ein Thema, müssen Bankgeschäfte immer an ein Gut gebunden stattfinden. Es ist also nicht möglich einfach einen Kredit frei von einem Gut zu vergeben, sondern es kann nur zu einem Kreditvertrag zwischen zwei Parteien kommen, zwischen denen ein Gut, bzw. Ware den Besitz gewechselt hat. Anzufügen ist auch hier, dass man das Gut auch tatsächlich besitzen muss, um es überhaupt verkaufen zu können.

Um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen, nach diesen eben genannten Vorgehensweisen wäre genau so ein Ereignis im schariahkonformen Bankwesen unter normalen Umständen nicht möglich. Jeder der sich die aktuelle Situation und die Zertifikate genauer anschaut, wird gleich mehrere Ausschlusskriterien finden warum die islamischen Banken in solchen Zertifikaten nicht involviert sein dürfen.

Aber losgelöst von der aktuellen Krise, unterliegen sie natürlich den gleichen Risiken wie konventionelle Banken. Jede Bank ist gleichfalls von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der konjunkturellen Situation abhängig. Somit bestehen auch für diese Banken übliche Bankrisiken. Wie vorausgegangen bereits erwähnt, haben die Banken sogar ein etwas anspruchsvolleres Risikomanagement zu betreiben, da sie wie beschrieben mit ihrem Kunden den Gewinn und Verlust teilen.

Dennoch, wer sich die Vergangenheit anschaut, der wird schnell erkennen, dass die schariahkonform handelnden Banken sowohl an der DOT-COM Blase schadlos vorbei gekommen sind, als auch an den aktuellen Milliarden Verlusten der westlichen Bankhäuser.

Das ist bitte nicht miss zu verstehen. Auch die schariahkonformen börsengelisteten Unternehmen, in die investiert werden kann, verlieren an Börsenkapitalisierung, wenn die Märkte insgesamt korrigieren, und die Investoren haben gleichwohl Buchverluste mit ihrem Depotpositionen erlitten. Aber diese gewaltigen Verluste wie sie Banken in ihren Bilanzen ausweisen oder mit ihren eigenen Aktienkursen verzeichnen, bis hin zu Totalverlusten, haben Investoren, seien sie Banken oder Kunden, im schriahkonformen Bankwesen nicht erleiden müssen.

Begleitend zu Ihrem Buch haben Sie auch eine Webseite online gestellt.
Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach als Buchautor das Medium Internet
mit einzubeziehen?

Ich denke, dass das Internet zur Informationsbeschaffung das schnellste und meistgenutzte Werkzeug ist. Und da ich persönlich mit der Buchveröffentlichung im Kern im Sinn hatte weiteren Interessierten und Studenten meine Ergebnisse zur Verfügung zu stellen und sie für diese nutzbar zu machen, machte es Sinn eine Informationsseite online zu stellen.

In der nächsten Zeit habe ich vor die Webseite zu verändern und weitere Downloads freizugeben, die insbesondere die Studenten und Universitäten für Ihre schriftlichen Arbeiten und Ihre Lehrtätigkeit nutzen können.

Bislang haben einige Leser, Studenten und Journalisten diesen schnellen Zugang über die Webseite genutzt um auch in den Kontakt mit mir zu treten, und ich freue mich auch auf alle weiteren Besucher der Webseite.

Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und sehr ausführlichen Antworten zu den Fragen vom Finanzweblog. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg mit Ihrem Buch, sowie natürlich mit allen weiteren Projekten.

Zusatzinfos:

Die Buchwebseite zum Islamic Banking

Der Post zur Buchrezension von Finanzweblog.de

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