Die Nachricht, dass das Soziale Netzwerk Facebook den Nachrichtendienst WhatsApp für 19 Milliarden Dollar übernommen hat, hat viele Nutzer verunsichert und bei Datenschützern für Entsetzen gesorgt. Auch innerhalb des EU-Parlaments gibt es nun Gegenwind. Erste Abgeordnete verlangen, die EU-Kommission einzuschalten, um zu prüfen, ob Facebook durch die Übernahme eine marktbeherrschende Stellung erlangt hat und ein Fall von Wettbewerbsverzerrung vorliegt.
Das Soziale Netzwerk Facebook steht wegen seiner Datensammelei nicht erst seit der NSA-Affäre in der Kritik. Das weltgrößte Soziale Netzwerk sammelt eifrig jede Art von Daten seiner Nutzer und wertet diese aus, um möglichst gezielt persönlich angepasste Werbung einzublenden, wodurch Facebook zum allergrößten Teil finanziert wird. Trotz aller Kritik verzeichnet das Unternehmen weiterhin stark ansteigende Nutzerzahlen und finanzielle Gewinne. Die Übernahme des ebenfalls enorm wachsenden Messengers WhatsApp sorgt nun für Verunsicherung bei dessen Nutzern und ruft die europäischen Wettbewerbshüter auf den Plan.
Übernahme für stolze 19 Milliarden Dollar
WhatsApp ist ein Messenger für Smartphones und Tablets. Nutzer können, eine mobile Datenverbindung vorausgesetzt, für einen Betrag von etwa einem Dollar im Jahr so viele Texte, Bilder, Sprachnachrichten oder Videos austauschen, wie sie möchten. Der Dienst kommt ohne Werbeeinblendungen aus und ist auch deswegen der beliebteste Nachrichtendienst für mobile Endgeräte. Nicht umsonst hat WhatsApp auch den Spitznamen SMS-Killer bekommen.
Facebook zahlte nun insgesamt 19 Milliarden Dollar für den Dienst. Vier Milliarden Dollar legt das Soziale Netzwerk in bar auf den Tisch, weitere 12 Milliarden Dollar werden in Form von Aktien gezahlt. Etwas später sollen weitere Aktien im Wert von drei Milliarden Dollar an Gründer und Mitarbeiter von WhatsApp ausgegeben werden. WhatsApp beschäftigt 50 Mitarbeiter und hat über 450 Millionen Nutzer. Laut eigener Angaben kommen täglich beinahe eine Million neue Nutzer hinzu.
Setzt man die 16 Milliarden Dollar, die Facebook direkt, ohne die drei Milliarden, die für später vorgesehen sind, in Relation zur Anzahl der Angestellten, ist dem Unternehmen von Mark Zuckerberg jeder Mitarbeiter 320 Millionen Dollar wert. Umgerechnet auf die Nutzer zahlt Facebook für jeden Nutzer 35,5 Dollar. Auf den ersten Blick ein extrem hoher Preis. Dieser wird jedoch verständlich, wenn man bedenkt, dass Facebook mit WhatsApp nicht nur einen Konkurrenten im Bereich des mobilen Datenaustausches schluckt, sondern zugleich 450 Millionen neue Nutzer und insbesondere deren Datensätze bekommt.
Mögliche Monopolbildung soll überprüft werden
Datenschützer betrachten nicht nur Facebook, sondern auch WhatsApp mit kritischen Augen. Zwar muss man für die Registrierung bei dem Dienst keine persönlichen Daten angeben, jedoch erfordert der Messenger Zugriff auf sensible Daten wie das Telefon- und Adressbuch, Standort, Fotos und noch viel mehr. Alle übermittelten Daten werden einen Monat lang auf den Servern des Anbieters gespeichert. Zwar betonen Zuckerberg und WhatsApp-Mitbegründer Jan Koum, dass beide Dienste weiterhin in gewohnter Form getrennt von einander operieren werden, jedoch weiß niemand, wie lange dieser Zustand beibehalten werden soll.
Aus Sicht der Datenschützer ist die Vorstellung, Facebook könnte via der von WhatsApp gesammelten Daten noch bessere Persönlichkeitsprofile erstellen als zuvor, eine Horrorvision, zumal viele Menschen die WhatsApp nutzen, aus Gründen der Privatsphäre bewusst keinen Account bei Facebook haben. Daher ist davon auszugehen, dass etliche Nutzer demnächst auf Alternativen zu WhatsApp umsteigen, beispielsweise dem kostenlosen und verschlüsselten Telegram.
Auch im EU-Parlament regt sich nun Widerstand gegen den Milliardendeal. Der Europaabgeordnete Jan Phillip Albrecht (Die Grünen) fordert nun eine Überprüfung des Geschäfts: „Die EU-Kommission muss prüfen, ob sie ein wettbewerbsrechtliches Verfahren einleitet. Es ist offenkundig, dass Facebook und WhatsApp zusammen eine marktbeherrschende Stellung einnehmen und zu Monopolisten in Europa werden.“ Weiter führte er aus: „Facebook und WhatsApp stellen eine ziemliche Bedrohung für ihre Konkurrenz in Europa und die Verbraucher dar. Wer nicht will, dass seine Daten in einer dubiosen App verschwinden, sollte auf datensichere Angebote zurückgreifen“.