Von Schulden, Pfändungsschutzkonten und Gesetzesänderungen

In keinem Bundesland sind so viele Menschen überschuldet wie in Berlin. Ein neues Gesetz soll ihnen jetzt helfen. Doch noch bevor es überhaupt in einer ratizifierbaren Fassung daherkommt, wird es schon verrissen. Worum geht es?

Von Aufschwung keine Spur: Während sich die Wirtschaft erholt, wächst in vielen Haushalten die Schuldenlast. „Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise erreichen die Schuldnerberatungsstellen erst jetzt“, sagt Claus Richter, Sprecher der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Schuldner- und Insolvenzberatung. 6,5 Millionen Menschen sind in Deutschland nach Berechnungen der Auskunftei Creditreform überschuldet, und die Zahl wächst weiter. Bei Alleinerziehenden und Familien ist das Armutsrisiko besonders hoch.

Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen erreichte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2010 mit 108 798 Verfahren einen neuen Höchststand.

Die Politik hat das Problem schon vor längerer Zeit erkannt und das Instrument des Privatinsolvenzverfahrens geschaffen. Dieses Verfahren gibt überschuldeten Privatpersonen die Möglichkeit, am Ende einer sogenannten Wohlverhaltensperiode von 6 Jahren, wieder neu und ohne Schuldenrucksack ins Leben zu starten. In den sechs Jahren muss der Schuldner arbeiten und sämtliches Einkommen, das über dem gesetzlichen Selbstbehalt liegt, zur Schildentilgung einsetzen. Hat der Schuldner dies über einen Zeitraum von sechs Jahren durchgehalten und zudem keine neuen Schulden angehäuft, werden ihm am Ende die noch bestehenden Restschulden erlassen und der einstige Schuldner kann wieder befreit und schuldenfrei aufatmen.

Aufgrund der immer drastischer steigenden Quote der Überschuldung will die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Betroffenen jetzt noch schneller helfen. Vor wenigen Tagen stellte die Ministerin ihr Konzept für eine Reform des Privatinsolvenzverfahrens vor. Die Wohlverhaltensperiode, soll von sechs auf drei Jahre verkürzt werden. Allerdings nur dann, wenn in der Zeit die Verfahrenskosten vollständig bezahlt werden und zumindest ein fester Teil der Schulden – im Gespräch sind 25 Prozent – getilgt werden.

In der Politik stößt der Plan weitgehend auf Zustimmung. „Dass die Verkürzung der Wohlverhaltensphase mit flankierenden Maßnahmen zur Stärkung der Gläubigerrechte einhergehen soll, wird seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion uneingeschränkt begrüßt. Auch die SPD-Bundestagsfraktion, hält die Verkürzung für „grundsätzlich richtig“. Allerdings besteht derzeit der größte Diskussionsbedarf, was die feste Rückzahlungsquote betrifft. Die SPD gibt zu Bedenken, dass viele Schuldner nicht das Geld hätten, ein Viertel ihrer Verbindlichkeiten zurückzuzahlen. Es bestünde die Gefahr, dass diese Menschen Freunde oder Angehörige anpumpen, um sich freizukaufen – und damit bereits den ersten Schritt in die Rückfälligkeit tun.

Diskutiert werden auch Vorschläge, wonach die Wohlverhaltensperiode auf vier oder fünf Jahre verkürzt wird, ohne eine feste Tilgungsquote festzulegen.

Grundsätzlich besteht wohl Einigkeit darüber, dass Menschen, die vollkommen überschuldet sind und Zeit Ihres Lebens nicht mehr froh werden würden, eine zweite Chance eingeräumt werden sollte. Die Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren, in denen der Schuldner jeden Tag zur Arbeit gehen muss aber am Ende des Monats nur das Nötigste zum Leben hat, ist ausreichend lang und wird seine erzieherische Wirkung nicht verfehlen.

Doch ist eine Verkürzung der  Wohlverhaltensperiode wirklich sinnvoll? Ist es ein richtiges Zeichen an die Schuldner, wenn signalisiert wird, „macht Euch keine Gedanken an das morgen, nach drei Jahren seid Ihr den Schuldenberg los“ (wenn die Schulden nicht allzu hoch waren und die Rückzahlquote erfüllt ist) ?

Nach Meinung der Wohlfahrtsverbände ist eine Stärkung der Schuldnerberatungsstellen der beste Schuldnerschutz. „Viele Gläubiger verzichten auf ihre Forderungen oder zumindest einen Teil davon, wenn sich der Schuldner an eine Schuldnerberatungsstelle wendet“, weiß Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Doch von solchen Stellen gibt es viel zu wenige.

Die Beratungsstellen beklagen zudem, dass die Abrechnung der Beratungstätigkeit allein nach der Zahl der Beratungen abgerechnet wird, jedoch nicht nach der Länge der Gespräche. Qualität und Nachhaltigkeit kann wohl nicht über reines Strichemachen gezählt werden.

Besonders dramatisch ist die Situation in Berlin. Beim Ende März vorgestellten Schufa-Kreditkompass landete die Hauptstadt im Vergleich der Bundesländer 2010 nicht nur erneut auf dem letzten Platz, die Lage hat sich noch einmal verschlechtert: Der sogenannte „Privatverschuldungsindex“, der den Anteil ver- und überschuldeter Menschen an der Gesamtbevölkerung zählt, stieg von 12,1 auf 12,4 Prozent und ist damit höher als in jedem anderen Bundesland.

Doch wer Schulden hat muss aufpassen, dass das Konto beziehungsweise der Lohn nicht gepfändet werden. Bisher geht das für Bezieher von Sozialleistungen relativ leicht, indem diese die monatlichen Zahlungen innerhalb von 14 Tagen vom Konto abheben. Erwerbstätige können sich vom Vollstreckungsgericht eine Freistellung holen. Ab dem 1. Januar 2012 klappt das nicht mehr, denn dann endet die Übergangsfrist des bereits zum 1. Juli 2010 eingeführten Pfändungsschutzkontos, kurz P-Konto. Für einen sicheren Schutz vor Pfändungen reicht ein einfaches Girokonto dann nicht mehr aus!

Ob bereits ausgestellte Freistellungen noch anerkannt werden, ist im Gesetz nicht eindeutig geregelt. Sicher abgeschafft wird aber die 14-Tage-Frist für Empfänger von Sozialleistungen auf dem normalen Girokonto. Vor allem die Banken hatten eine einheitliche Regelung für den Pfändungsschutz gefordert. Geschützt ist ein Sockelbetrag von 985,15 Euro, der sich noch um Unterhaltspflichten, Kindergeld oder besondere Sozialleistungen erhöht. Dafür braucht man jedoch die Bescheinigung einer Beratungsstelle. Deswegen befürchten die Beratungsstellen einen kaum zu bewältigenden Ansturm zu Beginn des nächsten Jahres. Schudnern sei daher eindringlich geraten, nicht erst bis zum Jahreswechsel zu warten, um sich die entsprechenden Bescheinigungen zu beschaffen, sondern bereits jetzt aktiv zu werden.

Das P-Konto an sich ist eine positive Entwicklung und kann Betroffene vor allzu unangenehmen Situationen schützen. Zum Beispiel sind durch das P-Konto auch Einkünfte aus Selbstständigkeit gesichert, was bisher kaum der Fall war. Von dem P-Konto erhoffen sich alle Beteiligten (gleich ob Bank, Schuldner, Gläubiger), dass die Zahl der Kontokündigungen zurückgehen wird. Denn wenn das Konto wg. möglicher Pfändungen (die auch einen einräumten Dispo-Rahmen voll ausschöpfen dürfen) stets im Minus ist, und der Schuldner keine Rückzahlungsmöglichkeiten mehr hat, zögern Banken nicht allzu lange und kündigen die Kontoverbindung. Steht der Schuldner erst einmal ohne Bankverbindung dar, ist die Abwärtsspirale kaum noch zu stoppen. Weitere Banken werden – aufgrund der mit Sicherheit erfolgten Negativ-Meldungen an die Schufa – Anträge auf Konteneröffnungen ablehnen. Und einen  Rechtsanspruch auf ein Konto gibt es weiterhin nicht. Wer aber ein Girokonto besitzt, hat nun ein Anrecht darauf, dieses in ein P-Konto umwandeln zu lassen. Die Bank ist verpflichtet, die Änderung innerhalb von vier Tagen durchzuführen.

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