Was ist Fernabsatz – Rechte beim Kauf durch Fernkommunikationsmittel

Oft erreichen uns Fragen, die weniger finanz- denn eher rechtsorientiert sind. Fast alle wissen, was ein Vertrag ist, haben schon mal von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gehört, kaufen munter im Internet oder per Versandhandel ein oder wissen mit solidem „Halbwissen“, das einem als Käufer Rechte wie Wandlung, Minderung, Schadenersatz zustehen können. Doch fragt man nach, wie eigentlich ein Vertrag zustandekommt, wann Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten, in welche Kategorie der Versand- und Internethandel fällt oder welche Bedingungen erfüllt sein müssen für Wandlung, Umtausch oder Minderung, dann entpuppt sich das „Halbwissen“ auch als solches. Damit das nicht bleibt, werden wir in dieser Woche einmal die wesentlichsten Grundlagen, gewissermaßen das kleine EinmalEins des Vertragsrechts beleuchten in unserer

Woche der Rechtsgrundlagen

Teil 4

Fernabsatzrecht

Die §§ 312 b ff. BGB regeln das Recht über Fernabsatzverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Die Vorschriften stellen die Umsetzung von EU-Recht dar und dienen dem Verbraucherschutz.

Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts wird in § 312 b Abs. 1 BGB definiert. Danach gilt das Fernabsatzrecht für Verträge:

– zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher

– über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen

– unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln

– Ausnahme: Fehlen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems

Bereichsausnahme: § 312 b Abs. 3 BGB.

Die Begriffe Verbraucher und Unternehmer sind in den §§ 13 und 14 BGB gesetzlich definiert. Danach muss auf der einen Seite eine natürliche Person stehen, die einen Vertrag zu privaten Zwecken schließen möchte. Auf Anbieterseite ist es erforderlich, dass ein Rechtssubjekt in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit handelt. Solche Verträge zwischen einem Unternehmer auf Anbieterseite und einem Verbraucher nennt man Verbraucherverträge.

Das Fernabsatzrecht gilt nicht nur für die Lieferung von Waren, sondern auch für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen. Dabei ist der Begriff der Dienstleistung weit zu verstehen und gilt nicht nur für Dienstverträge. Er ist etwa auch anwendbar auf Werk- und Mietverträge. Ausdrücklich weißt § 312 b Abs. 1 Satz 1 BGB darauf hin, dass das Fernabsatzrecht auch auf Verträge über Finanzdienstleistungen (vgl. § 312 b Abs. 1 Satz 2 BGB) anwendbar ist.

Das prägende Merkmal eines Fernabsatzvertrages ist die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln bei Anbahnung und Abschluss des Vertrages. Was unter Fernkommunikationsmitteln zu verstehen ist ergibt sich aus § 312 b Abs. 2 BGB.

Ob ein Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wurde, ist im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung zu beurteilen.

In § 312 b Abs. 3 BGB sind eine Reihe unterschiedlichster Ausnahmefälle aufgeführt, für die das Fernabsatzrecht nicht anwendbar sein soll. Etwa weil sie bereits in den Anwendungsbereich anderer Verbraucherschutzgesetze fallen oder weil es sich um alltägliche Geschäfte handelt.

Informationspflichten

Ist das Fernabsatzrecht anwendbar, so treffen den Unternehmer umfangreiche Informationspflichten. Man unterscheidet zwischen vorvertraglichen und nachvertraglichen Informationspflichten (vgl. § 312 c Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB).

Die vorvertragliche Information soll es dem Verbraucher ermöglichen, eine informierte Entscheidung über den Vertragsschluss zu treffen. Zu diesem Zweck bedarf es grundsätzlich keiner Form. Allerdings müssen die Informationen in einer dem jeweiligen Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise präsentiert werde. Eine Besonderheit gilt für Verträge über Finanzdienstleistungen: Die Unterrichtung muss in Textform erfolgen (§ 312 c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB).

Die nachvertragliche Information dient in erster Linie der dauerhaften Verfügbarkeit der Information im Falle von Auseinandersetzungen nach dem Vertragsschluss. Daher ist für die nachvertraglichen Informationen Textform (§ 126 b BGB) vorgeschrieben.

Sprachlich und inhaltlich gilt das Gebot der Klarheit und Verständlichkeit. Verbraucherinformationen sind so abzufassen, dass der Unternehmer vernünftigerweise erwarten kann, dass der Verbraucher die Informationen versteht.

Welche konkreten Informationen der Unternehmer dem Verbraucher zur Verfügung stellen muss, ergibt sich aus der BGB-InfoV. Dort enthält § 1 Abs. 1 BGB-InfoV eine Reihe von Angabe, die rechtzeitig vor Abschluss eines Fernabsatzvertrages zur Verfügung gestellt werden müssen. Dabei ist es unerheblich, ob es später tatsächlich zu einem Vertragsschluss kommt.

Für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen gelten zusätzlich besondere Informationspflichten (§ 1 Abs. 2 BGB-InfoV).

Nach § 312 c Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 Abs. 4 BGB-InfoV ist der Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher diese Informationen spätestens bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrages, bei Waren spätestens bei Lieferung, bei Finanzdienstleistungen sogar schon vor Vertragsschluss in Textform zukommen zu lassen.

Die Nichterfüllung der nachvertraglichen Informationspflichten hat zur Folge, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt (§ 312 d Abs. 2 Satz 1 BGB).

Widerrufsrecht/ Rückgaberecht

Neben den Informationspflichten aus § 312 c BGB ist das Widerrufsrecht bzw. Rückgaberecht des Verbrauchers als zweites Schutzinstrument des Fernabsatzrechts in § 312 d BGB geregelt. In den §§ 355 ff. BGB erfolgt eine nähere Ausgestaltung.

Die Widerrufsfrist beträgt zwei Wochen (§ 312 d Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Frist beginnt mit

– Erteilung einer Widerrufsbelehrung (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) und

– nach Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 312 c Abs. 2 BGB;

– bei Waren: erst nach Eingang beim Empfänger bzw.

– bei Dienstleistungen: erst nach Vertragsschluss.

Die Widerrufsbelehrung muss in Textform (§ 126 b BGB) erteilt werden und deutlich gestaltet sein.

Nur vollständig zutreffende Belehrungen lösen den Ablauf der Widerrufsfrist aus. Es bedarf nicht nur einer Belehrung des Verbrauchers über seine Pflichten im Widerrufsfall, sondern auch über seine Rechte.

Der Beginn der Widerrufsfrist ist so lange gehemmt, wie der Unternehmer seinen Informationspflichten nicht nachkommt. Stellt der Unternehmer dem Verbraucher – wenn auch verspätet – die Pflichtangaben gemäß § 312 c Abs. 2 und § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Verfügung, steht dem Ablauf der Widerrufsfrist nichts mehr entgegen.

Bei Warenlieferungen beginnt die Frist nicht, bis die Ware bei dem Verbraucher eingegangen ist. Der Unternehmer soll es nicht durch verzögerte Lieferung in der Hand haben, die Prüfung der Ware durch den Verbraucher dadurch zu umgehen, dass er die Ware erst nach Ablauf der Widerrufsfrist versendet.

Besteht die vereinbarte Lieferung aus mehreren Teilen, beginnt die Widerrufsfrist erst mit Eingang des letzten Teils, sodass auch bei unvollständigen Lieferungen die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Dies gilt allerdings nur, wenn die einzelnen Lieferungen Bestandteil einer als zusammengehörig verkauften Sache sind.

Eine Sonderregelung trifft § 312 d Abs. 2 BGB für die wiederkehrende Lieferung gleichartiger Waren. In diesen Fällen beginnt die Widerrufsfrist frühestens am Tage der ersten Teillieferung.

Wird der Verbraucher erst nach Vertragsschluss über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf einen Monat (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Bei fehlerhafter oder unterlassener nachvertraglicher Informationen verlängert sich die Widerrufsfrist auf sechs Monate nach Vertragsschluss bzw. Warenlieferung (§ 355 Abs. 3 Nr. 1 BGB).

Im Übrigen erlischt das Widerrufsrecht mit Veranlassung bzw. einvernehmlichem Beginn der Ausführung einer Dienstleistung (§ 312 d Abs. 3 BGB) oder mit Entsiegelung eines Datenträgers.

Bei verabsäumter Widerrufsbelehrung erfolgt kein Fristablauf nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB (§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB) – „ewige Widerrufsfrist“.

§ 312 d Abs. 4 BGB enthält Ausnahmeregelungen für Verträge, bei denen dem Unternehmer die vollständige Rückabwicklung des Vertrages nicht zumutbar ist. Weitergehende Ausnahmen sieht das Gesetz nicht vor.

Die Widerrufserklärung des Verbrauchers ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die in Textform (§ 126 b BGB) gegenüber dem Unternehmer (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu erklären ist. Beweispflichtig für den Zugang des Widerrufs ist der Verbraucher.

Im Übrigen finden auf die Ausübung des Widerrufsrechts und die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vorschriften der §§ 346 ff. BGB entsprechende Anwendung.

Wird das Widerrufsrecht ausgeübt, sind die Parteien gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 346 Abs. 1 BGB verpflichtet, die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Der Vertrag wird in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt, wobei die Rückgewährverpflichtungen von den Parteien Zug um Zug zu erfüllen sind (§ 348 BGB).

Nach § 312 d Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Unternehmer bei Warenlieferungen darüber hinaus berechtigt, dem Verbraucher anstelle des Widerrufsrechts ein Rückgaberecht nach § 356 BGB einzuräumen.

 

Lesen Sie morgen zum Abschluss unserer Woche der Rechtsgrundlagen einen Überblick zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – AGB.

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